Die Appenzeller Strassenbahn 4. Teil
Die „Säntisbahn“ (Appenzell-Weissbad-Wasserauen AWW)
Berichterstattung von Hans Rudi Lüthy-Pavan, Gestaltung von Franz Straka
Technische Daten über das Teilstück der Säntisbahn

Betriebseröffnung: 12. Juli 1912
Länge: 6.230 m
Spurweite: 1.000 mm
Elektrifizierung: Seit Betriebseröffnung elektrisch
Gleichstrom 1.000 V (ab 1949 1.500 V)
Ursprüngliche Bezeichnung: „Säntisbahn“
Neue Bezeichnung AWW = Appenzell-Weissbad-Wasserauen-Bahn
Fusion mit der Appenzellerbahn 1. Jänner 1947

Es wurde bereits über die Geschichte der Bahnen im appenzellischen Gebiet berichtet.

1. Teil: Die Appenzeller Strassenbahn (St. Gallen-Gais-Appenzell) SGA
2. Teil: Gais-Altstätten-Bahn (A-G)
3. Teil: Die Trogenerbahn (TB)

Die Geschichte der Appenzellerbahn wird im Detail im 5. Teil behandelt. Weitsichtige Appenzeller hatten im Visier, von Appenzell über Eggerstanden-Eichberg-Forst-Altstätten die Appenzellerbahn, welche 1886 die innerrhodische Metropole erreicht hat, fortzusetzen und verhandelten mit der AB über eine konkrete Beteiligung. Die Generalversammlung der Bahn wies jedoch das Gesuch zurück, umsomehr die Finanzlage nicht so rosig stand. Erfolgreich war jedoch die ASt, die 1889 bis Gais und 1904 bis Appenzell gebaut wurde (siehe 1.Teil). Es gab schon seit 1890 gemeinsame Rundreisebillette, obwohl zwischen Gais und Appenzell noch keine Bahn verkehrte. Die 1911 eröffnete Altstätten-Gais-Bahn fuhr schlussendlich direkt über den Stoos nach Gais und nicht via Eggerstanden (siehe 2. Teil).

CFe 3/2 Nummer 1 mit C2 Anhängewagen in
Appenzell ca. 1925. Archiv SVEA
Als weiterer Anziehungspunkt zeigte sich schon früh der Mittelpunkt des Alpsteinmassivs, der 2502 m hohe Säntis. Am 29. April 1886 wurde beim Bundesrat ein Konzessionsgesuch für die Erstellung einer „elektrischen Säntisbahn“ eingereicht. Diese sollte von St. Gallen aus über Haggen-Stein-Appenzell-Wagenlücke den Säntisgipfel erreichen. Der Voranschlag war auf 3,85 Mio.Franken berechnet. Vertreter der Regierung liessen hiezu weitere Detailabklärungen ausführen, wobei das
Eidgenösische Eisenbahndepartement den Plan als „ungenügend und oberflächlich“ beurteilte, sodass die St.Gallner auf eine weitere Bearbeitung verzichteten. 1887 tauchten weitere Ideen für eine Säntisbahn auf. Die AB – seit 1 Jahr in Appenzell – beschloss einen Subventionsbeitrag für Vorarbeiten einer Bahnverbindung auf den Säntis. Die AB hatte natürlich das Geschäft „gewittert“, denn dieses Projekt sollte einen besonderen Aufschwung des Tourismusverkehrs ergeben. Nationalrat Sonderegger und Ingenieur Deutsch legten 1888 konkrete Pläne für eine Linie Appenzell-Weissbad-Seealpsee-Meglisalp-Säntis vor.

Zwei Traktionsarten bei der Einfahrt in Appenzell.
Links die ASt mit HG 2/4 Dampflokomotive von Gais kommend, rechts davon "Säntisbahn CFe 2/2 Triebwagen. ca. 1930 Foto: VHS/Archiv SVEA

Station Wasserauen ca. 1930 mit zwei CFe 2/2 Triebwagen. Foto: VHS/Archiv SVEA

Die Talstrecke war als Adhäsion und die Bergstrecke bis 2.300 m eine Zahnradbahn mit 800 mm Spurweite vorgesehen. Das Projekt blieb jedoch einstweilen schubladisiert. Finanzkreise aus dem Bodensee und süddeutschem Raum zeigten einiges Interesse am Zustandekommen der Bahn. Die Kantone Appenzell und St. Gallen verhielten sich derart reserviert, sodass an eine Verwirklichung vorläufig nicht zu denken war. An der Generalversammlung der AB vom 3. Juli 1903 wollte Oberst J.G. Nef aus Herisau das Direktionskomitee beauftragen, den Ausbau der Appenzellerbahn von Wasserauen oder Weissbad als sogenanntes Saisonunternehmen – für den Tourismus – zu prüfen. Die Eröffnung der Bodensee-Toggenburg-Bahn war hier der Hemmschuh, denn man konzentrierte sich mit allen Kräften auf den Ausbau in Herisau. Steigende Besucherzahlen auf dem Säntis und die 1904 eröffnete Verbindung Gais-Appenzell (ASt) liessen einen starken Aufschwung des Touristenverkehrs erwarten.


CFe 2/2 Nummer 3 im Bahnhof Weissbad ca. 1925. Foto: Archiv SVEA
Am 22. Dezember 1903 wurde von Nationalrat Sonderegger und Dr. Meyer, (Herisau) mit einem 6sechs-köpfigen Komitee ein dreiteiliges Konzessionsgesuch für die Linie Appenzell-Wasserauen (Adhäsion), Wasserauen-Seealpsee-Oberstoffel (gemischt Adhäsion und Zahnradbergstrecke) und der 3. Teil als Seilbahn mit drei getrennten Sektionen (Oberstoffel-Meglisalp, Meglisalp-Rossmad und Rossmad-Säntis) eingereicht. Ingenieur Kürsteiner und der Erbauer der Jungfraubahn Ingenieur Strub (Zürich),
waren zwei kompetente Fachleute für dieses Projekt (Kostenvoranschlag 4,5 Mio. Franken / Fahrzeit berechnet auf 100 Minuten). Noch waren viele Schwierigkeiten zu überwinden bis schliesslich das 1. Teilstück Appenzell-Wasserauen der „Säntisbahn“ am 12. Juli 1912 eröffnet wurde. Der Zustrom, zu diesem Teilstück war enorm, doch machten sich viele in Wasserauen Gedanken: wie soll das hier weitergehen? Der Start war also wohl gut gelungen, doch 1913 machtenzahlreiche Unwetter der „Säntisbahn“ grosse Sorgen. Während des 1. Weltkriegeskam der Bahnverkehr teilweise zum erliegen, sodass mehrere Betriebseinstellungen zu finanziellen Rückschlägen führten. Ein Weiterbau auf den Säntis war deshalb in grosse Ferne gerückt. Als man eine Schwebebahn von der Schwägalp zum Säntis plante – eröffnet am 1. August 1935 – war das „Säntisbahnprojekt“ via Meglisalp endgültig beendet. Ab 1939 wurde der „Säntisbahn-Name“ in elektrische Bahn Appenzell-Weissbad-Wasserauen (AWW) umbenannt. Schon 1926 hatte man versucht, die AB, SGA und AWW unter einen Hut zu bringen, doch die Zeit war dafür noch nicht reif genug.

Alte Farbaufnahme ca. 1920 Bahnhof Weissbad mit Triebwagen der "Säntisbahn".
Foto: Sammlung H.R. Lüthy


In vollem Glanze der Triebwagen CFe 2/2 Nr. 1 der Säntisbahn ca. 1925.
Foto: VHS/Sammlung SVEA

Erst die wachsende Dringlichkeit einer technischen Erneuerung und das Bundesgesetz von 1939 über die Hilfeleistungen privater Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmungen führten zu einer weitere Initiative zur Fusion. Auf Grund eines Gutachtens wurden 1941 die AB/SGA und AWW als „Sanierungsbetroffenen“ eingestuft und schlussendlich auf 1. Jänner 1947 die AWW gänzlich in die Appenzellerbahn eingegliedert. Im Vorfeld dieser Fusion hatte die AB 1946 und 1947 für die AWW eine Teilerneuerung des Rollmaterials sowie Anpassung des Oberbaus Appenzell-Wasserauen beschlossen. Am 22. April 1949 verkehrten die durchgehenden Züge – neue Pendelzüge der AB – durchgehend von Gossau nach Wasserauen. Das Wagenmaterial der ehemaligen Säntisbahn (AWW) wurde voll integriert und die Fahrzeuge teils umgebaut. Auf dem Rollmaterialverzeichnis der Appenzellerbahn sind die Motortriebwagen aufgeführt. Dies wird im 5. Teil der Appenzeller Bahnen beschrieben.

Quellen

100 Jahre Appenzellerbahn, Herisan, 1975
Emil Lutz, Schaufelberger Peter E., Hug Hans
Eisenbahn Amateur
Appenzell und seine Bahnen (Bischofberger/Inauen)

Den 5. Teil der Berichtserie finden Sie auf http://www.schmalspur-europa.at
oder
Die Appenzeller Strassenbahn

Teil 1: St. Gallen-Gais-Appenzell

Teil 2: Strassenbahn Altstätten-Berneck / Altstätten-Gais-Bahn (Stoosbahn)

Teil 3: Die Trogenerbahn

Teil 4: Die Säntisbahn

Teil 5: Strecke Gossau-Herisau-Urnäsch-Appenzell-(Wasserauen)

Text von Hans Rudi Lüthy-Pavan
Gestaltung von Franz Straka
August 2008