STEFFISBURG – THUN-INTERLAKEN
Die Geschichte der rechtsufrigen Thunerseebahn
Zusammengestellt von H.R. Lüthy-Pavan, Gestaltet von Martin Ortner

Betriebseröffnung:
10. Oktober 1913 Steffisburg-Thun-Oberhofen
24. Dezember 1913 Oberhofen-Beatenbucht
20. Juni 1914 Beatenbucht-Interlaken

Betriebseinstellung:
18. Dezember 1939 Beatenbucht-Interlaken
31. Januar 1952 Merligen-Beatenbucht
6. April 1952 Gunten-Merligen
10. August 1952 Thun-Gunten
31. Mai 1958 Thun-Steffisburg

Spurweite: 1000 mm
Stromsystem: 1000 Volt Gleichstrom
Betriebslänge total im Jahre 1914: 25.811 m

Seit dem Jahre 1835 kennt man für den öffentlichen Verkehr die Raddampfer auf dem Thunersee. Man war bestrebt, möglichst gute Verbindungen zwischen Thun und Interlaken herzustellen. Erst einige Jahrzehnte später wurden Oberhofen, Hilterfingen und Gunten vom Schiff her bedient. Merligen musste für den Verkehrsanschluss warten – und weil die Dampfschiffe keine bessere Verbindung schaffen konnten, kam der Gedanke von den verschiedenen Hotelunternehmungen einen Autobetrieb von Thun nach Oberhofen einzurichten. Weil die Motorentwicklung noch nicht so fortgeschritten war, wurde der kurze Probebetrieb bald wieder abgebrochen.

Das alte Stadtbild von Thun im Bälliz mit Ce 2/2 Nummer 6 aus dem Jahre 1958. Foto: P. Willen / Prellbockverlag
Am rechten Thunerseeufer entwickelten sich die Kurorte dermassen, sodass man überlegte, eine bessere Verbindung mit einer Strassenbahn zu verwirklichen. Die Thuner Geschäftsleute, welche die Idee auf den Tisch legten, rechneten mit guten Frequenzen. Aus diesem Grund wurde auch eine entsprechende Konzession eingereicht. Als sich der Kurort Gunten meldete waren die Initiatoren der Strassenbahn bereit, ihr Konzessionsansuchen bis zur Beatenbucht zu erweitern. Die Finanzierung durch eigenes Kapital scheiterte, sodass man auf fremde Hilfe angewiesen war. Eine Züricher Finanzgruppe meldete Interesse für das Projekt an, gab allerdings zu bedenken, dass eine Lokalbahn Steffisburg-Thun-Beatenbucht zuwenig interessant für die Uebernahme von Aktien und Obligationen sei. Man sah eine Verbindung zwischen den bekannten Orten Thun und Interlaken als zielführender an.
Am 19. Dezember 1905 wurde die entsprechende Konzession erteilt und per 11. Dezember 1911 die Gesellschaft zum Bau und Betrieb der Strassenbahn unter der Bezeichnung „ Elektrische Bahn Steffisburg-Thun-Interlaken (STJ)“ gegründet. Für die Finanzierung wurden Wertpapiere in Höhe von Franken 3.200.000.- aufgelegt. Es ergaben sich aber Schwierigkeiten, als ein Teil der Finanzgruppe ausstieg und Fachleute aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten waren. Diese ungünstige finanzielle Situation sollte sich aber während des ganzen Bahnbetriebes als hinderlich erweisen.

Ce 272 Nummer 3 im Strassenbild von Thun.
Foto: Prellbockverlag

Sie wirkte sich erstmalig bei der Auftragsverteilung aus, denn niemand konnte so billig bauen. Schliesslich fand man bei der Kommandit AG John E. Brüstlein & Co. in Zürich den günstigsten Offertsteller, welcher sich im Stande sah, die zu bauende Strassenbahn zum Pauschalpreis von 3 Mio. Franken, dass heißt inklusive Bahnbau, Hochbauten, Unformerstationen, Rollmaterial, Mobiliar und Gerätschaften, anbieten zu können. Weiters verlangte der Kanton Bern eine jährliche Gebühr für die Mitbenützung der Strasse von der Bahngesellschaft.

Wo immer möglich, wurden die Preise gedrückt, ohne zu bedenken, dass sich dies für die Bauausführung nicht negativ auswirken würde. Man griff leider nicht auf die beim Bau von anderen Strassenbahnen gesammelten Erfahrungen zurück und so rächte sich die billige Bauweise schon nach kurzer Zeit. Die STJ konnte den Betrieb etappenweise aufnehmen. Am 10. Oktober 1913 wurde der Streckenabschnitt Steffisburg-Thun-Oberhofen feierlich eingeweiht. Die Fortsetzung bis zur Beatenbucht wurde am 24.Dezember 1913 fertiggestellt. Da zwischen Beatenbucht und Interlaken verschiedene Felssprengungen notwendig waren, konnte der Streckenteil Beatenbucht-Interlaken erst am 20. Juni 1914 eingeweiht werden und da der 1. Weltkrieg bereits ausgebrochen war, sah man für die Bahn keinen guten Stern. Dazu kam eine Nachforderung der Generalunternehmung, was aber zu einem Rechtsstreit führte.

Die letzten Stunden der Strassenbahn. Bahnhof Thun - Tram u. Trolleybus. Foto: STI Thun

Zwischen Beatenbucht und Interlaken wurde die STI zur Gebirgsbahn. Foto: STI Thun

Insgesamt 14 Motorwagen Ce 2/2 Nummer 1-14 (Baujahr 1913, 90 PS) wurden durch Gebrüder Credé, Kassel wagenbaulicher Teil / Siemens-Schuckert-Werke, für die elektrische Ausrüstung, mit Lyrabügel und Trompetenkupplung ausgestattet. Der Anstrich war in gelb mit weissen oder cremfarbigen Zierstreifen und brauner Anschrift. C 31-34 und C 51-54 (Sommerwagen) 2 FZ 91-92 und einige Güterwagen standen anfänglich zur Verfügung. 1917 folgte noch ein Wassersprengwagen Xe 2/4 Nummer 101 (SWS Schlieren, 90 PS, 9000 l Wasservorrat, zur Bekämpfung der Staubplage.


Beatenbucht - Endstation seit 1939
Foto: Slg. W. Ritschard

1916 regelte eine Aktienneuverteilung die schlechte finanzielle Situation der Bahn, welche fortan „ Rechtsufrige Thuner-seebahn, elektr. Bahn Steffisburg-Thun-Interlaken“ benannt wurde. Während der Kriegsjahre war der erhoffte Touristenstrom am Thunersee fast gänzlich ausgeblieben und die billige Bauausführung machte sich allerorts bemerkbar, ganze Teilstrecken mussten umgebaut oder sogar ersetzt werden. Erst in den Nachkriegsjahren erholte sich die Wirtschaft und so auch die Frequenzen der STJ.

Als am 12. Juni 1923 der neue Bahnhof Thun eingeweiht wurde, war der Endpunkt der STJ auf dem Bahnhofplatz, welche Verlegung sich etwas schwierig gestaltete und erst mit der Fertigstellung des Schiffahrtkanals 1925 gelöst war. In der gleichen Zeit machte sich die Autokonkurrenz bemerkbar. Die Strassen mussten entsprechend angepasst werden, was den Einbau von schwerem Schienenprofil notwendig machte. Diese kostspieligen Investitionen überstiegen die finanziellen Möglichkeiten der STJ , weshalb sich die Gesellschaft zu Beginn der Dreissigerjahre an die Anliegergemeinden zur finanzielle Beteiligung wenden musste.

Thun und Steffisburg gewährten die nötigen Kredite, aber die übrigen Gemeinden lehnten jegliche Beteiligung ab. Es folgte ein Gutachten, ob die Strassenbahn überhaupt noch rentabel sei und ob Trolley- oder Autobus nicht kostengünstiger wären. Weil man keine Entscheidung treffen konnte, „rumpelte“ die Bahn weiter auf den verlotterten Schienen auf und abwärts. Auch in den nächsten Jahren traten keine Verbesserungen ein. Dazu kam auch eine Erneuerung der Fahrleitung. 1937 gab es Frequenzsteigerungen, welche einen kleinen Lichtblick für die Bahn darstellten.


Der C 34 ist angehängt am Ce 2/2 Nummer 2. Daneben führt der Ce2/2 Nummer 8 gerade zwei personenwagen mit. Gunten am 23. Mai 1948.
Foto: Sammlung C. Ritschard

Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach und zwischen Beatenbucht und Interlaken verschiedene Bauarbeiten auszuführen gewesen wären, beschloss der Grosse Rat des Kantons. Bern, mit dem Ausbau der Strasse zugleich die Entfernung der Geleise gegen Entschädigung von Franken 80.000.- an die STJ , zu beginnen. Die Versammlung genehmigte diesen Entscheid mit 2/3-Mehrheit und bereits am 18. Dezember1939 fuhr der letzte Tramzug und ab 1940 der Autobus. Im gleichen Jahr wollte man den Triebwagen der Biel-Meinisberg-Bahn (BMB) kaufen. Wegen dem ungenügenden Lichtraumprofil kam dieser nicht zur STJ und ging an die Lugano-Cadro-Dino-Bahn.

Die holzremise in Steffisburg-Schwäbis mit Ce 2/2 Nummer 2 ca. 1940. Foto: W. Trüb / Slg. SVEA

1942 stieg die Zahl der beförderten Personen erstmals über 1 Mio. Aber nach dem Krieg machte sich schon bald wieder eine Abwanderung auf die Strasse bemerkbar und die Zahlen gingen bedenklich zurück. Auch wurde die Bahn in der Strasse zum Hindernis. Dazu kam der schlechte Schienenzustand. Im Jahre 1946 fand durch das Eidgenössische Amt für Verkehr (EAV) eine Kontrolle statt, bei der von der Bahn eine totale Gleissanierung verlangt wurde, welche mit 200.000 Franken veranschlag war.

Bevor man aber mit den Arbeiten beginnen konnte, liess man zwei Gutachten von Dir. Braun, Vereinigte-Bern-Worb-Bahnen (VBW) und Dir. Bourgeois (Strassenbahn Lausanne) ausarbeiten. Beide kamen zum Ergebnis, die STJ- Strecke auf Trolleybus umzustellen. Die Unterstützung der Gutachter durch das EAV und dem Kanton Bern gab den Todesstoss für die Strassenbahn. Die Generalversammlung vom 31. Jänner 1948 gab hiefür – wenn auch mit einer gewissen Wehmut – ihre Zustimmung. Nur für die 3326 m lange Linie Thun-Steffisburg sollte der Trambetrieb bis 1965 erhalten bleiben. Am 10. August 1952 war auch auf der Thunerseelinie der letzte „Tram-Betriebstag“ .


Ce 2/2 Nummer 1 mit dem 1942/43 modernisierten Scherenstromabnehmer im Bahnhof Thun.
Foto: W. Trüb / Slg. SVEA

STJ - Zug Nummer 55 mit Ce 2/2 Nummer 7 im Bahnhof Thun am 19.08.1951. Foto: Meriat / Slg. SVEA

Zwischen Thun und Steffisburg wurden die Geleise und Strecke begutachtet und dabei festgestellt, dass die Schienen bis auf das Thuner Gemeindegebiet und Kurven stark abgenutzt waren. Die hohen Kosten und weitere Anpassungen entlang der Strasse bewog den Verwaltungsrat der STJ eine Umstellung auf einen reinen Autobusbetrieb. Am 31. Mai 1958 bekränzte die Bevölkerung ihre Strassenbahn und nahm auf diese Weise Abschied von „ihrem Tram“, welches aus dem Stadtbild von Thun verschwunden ist. Die zum Teil verlotterten Fahrzeuge wurden abgebrochen und was noch im Stand war zu günstigen Bedingungen verkauft. Die Triebwagen Ce 2/2 Nummer 3+4, 6, 10, 12 + 14 gingen an die Verkehrsbetriebe Innsbruck, wo aber nur 2 der Triebfahrzeuge einen zweiten Frühling erlebten. Einige Personenwagen fanden bei der Trogenerbahn eine neue Heimat.

Quellen

•  Prellbock-Verlag/S. Sigrist: Elektr. Traktion am rechten Thunerseeufer
•  Angaben aus „der Oeffentliche Verkehr“ div. Jahrgänge
•  VHS und Slg. SVEA

Zusammengestellt von H.R. Lüthy-Pavan
Gestaltet von Martin Ortner
September 2010