Spiezer Verbindungsbahn / S V B
Berichterstattung Hans Rudi Lüthy-Pavan, Gestaltung Franz Straka

Betriebseröffnung: 2. August 1905
Betriebslänge: 1.251 m
Spurweite: 1.000 mm
Stromart: 550 Volt Gleichstrom
Kleinster Radius: 30 m
Grösste Steigung: 87 ‰
Betriebseinstellung: 25. September 1960

International ist im Berner Oberland der Thunersee und damit das hübsche Dorf Spiez als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt bekannt. An den Südhängen oberhalb des schönen alterwürdigen Schlosses mit Anfängen aus dem 10. Jahrhundert gedeiht ein herrlicher Wein. Dass Spiez als besonderer touristischer Anziehungspunkt gewertet wird, erstaunt niemand. Der Reisende, der mit dem BLS-Zug aus der Bundeshauptstadt in Spiez eintrifft, hat von den hoch über dem Thunersee gelegenen Bahnhof eine herrliche Aussicht. Aber wie kommt der Tourist hinunter zur Schiffstation? Der an einer Insel stehende Bus mit „Spiez-Schiffstation“ bringt ihn auf bequeme Art bergab zum Schiffsteg.

Der Ce 2/2 Nummer 2 mit seinem typischen Plattformdach bei der Schiffstation Spiez, ca. 1950 Foto: Sammlung Archiv SVEA
Der Motorwagen CE 4/4 Nummer 3 mit dem Sommerwagen C11 wartet vor dem Depot auf seinen nächsten Einsatz. Foto: Sammlung Archiv SVEA
Wie war das aber vor mehr als 100 Jahren? Erst um die Jahrhundertwende (1899) wurde Spiez erstmals mit elektrischen Strom versorgt. Noch waren auf verschiedenen Pfaden Pferdekutschen im Einsatz. Auf dem Thunersee fuhren bereits seit 1835 Dampfschiffe auf direkten Fahrten von Thun nach Neuhaus (Interlaken). Halte in den abgelegenen Dörfernwaren vorerst nicht vorgesehen. Als 1893 Spiez mit der normalspurigen Thunerseebahn und 1897 mit der Spiez – Erlenbach – Bahn erschlossen wurde, tauchte bald die Idee auf, vom Bahnhof eine Schienenverbindung zur Schiffanlegestelle zu schaffen um damit die Höhendifferenz von 70 m zu überwinden. Während am rechten Thunerseeufer die Thunerseebahn geplant wurde, stand man in Spiez mit dem Projekt der Spiezer Verbindungsbahn (SVB) im Zentrum des öffentlichen Interesses.

Seit 1951 in Blau/weissem Farbkleid zeigt sich
der Motorwagen Ce 4/4 Nummer 3.
Foto: Sammlung Archiv SVEA

Der Spiezer Ingenieur Rudolf von Erlach hatte am 1. September 1899 ein Gesuch zur Erteilung einer Konzession zum Bau und Betrieb einer schmalspurigen Trambahn eingereicht. Bereits am 30. März 1900 erteilte die Bundesversammlung die Konzession. Der Kanton Bern seinerseits bewilligte die Benützung der Staatsstrasse. Als Ausgangspunkt der Bahn war der Schifflandungsplatz beim Hotel Spiezerhof geplant. Der Strasse folgend empor zum Bahnhof Spiez führte der Verlauf unmittelbar vor das Bahnhofrestaurant als Endstation.
Es waren Anlagekosten von 90.000.-- Franken vorgesehen, welche mit Aktien finanziert werden sollten. Das Anlagekapital war auf 185.000.-- Franken festgesetzt. Verschiedene Verkehrsträger der Umgebung beteiligten sich an der Finanzierung, welche im Herbst 1904 als gesichert schien, sodass die Konstituierung der SVB erfolgen konnte. Nachdem einige Hindernisse für das Projekt beseitigt und der Verlauf des Geleises definitiv festgelegt waren, konnte am 3. Mai 1905 mit dem Bau der Bahn und einen Monat später mit dem Bau der Remise begonnen werden.

Der Motorwagen Ce 2/2 Nummer 2 wartet beim Hotel Terminus auf seinen nächsten Einsatz. Ca. 1950.
Foto Erw. Suter, Suhr

Ce 4/4 Nu8mmer 3 im elfenbeinfarbigen Anstrich oberhalb der Spiezer Schiffstation, im Hintergrund das Schloss Spiez, ca. 1949. Foto: Sammlung Archiv SVEA

Die Rillenschienen für die Trasse auf der Straße wurden durch die Firma Marti AG Winterthur geliefert und durch die Firma Frutiger, Oberhofen eingebaut. Zwei Weichen für die lang diskutierte Ausweiche und zwei Handweichen für das Depot wurden errichtet. Nur 8 Wochen brauchte man für den Bau der Strecke und des Depots, sodass am 31. Juli 1905 die amtliche Kollaudation und die Betriebseröffnung am 2. Aug. 1905 erfolgen konnte. Bei der Seestation wurde im Frühjahr 1907 ein Ausweichgleis- eingebettet (Diese wurde im Jahre 1953 abgebrochen und die Weiche wurde ausgebaut.). Die Elektrogesellschaft Alioth in Münchenstein lieferte die beiden Motorwagen Ce 2/2 Nr. 1 und 2 (60 PS Leistung, 20 km/h, Lyrabügel, 14 Steh- und 18 Sitzplätze, nur eine Wagenklasse). Die Wagenkasten konstruierte die Wagonfabrik Rastatt. Diese Motorwagen waren offen und für den Sommerbetrieb eingerichtet. Auf den Endstationen gab es keine Wendeschlaufen, weshalb beidseitig Kontroller eingebaut werden mussten. Die Bedienung erfolgte mit zwei Kurbeln (kleine für die Fahrrichtungsänderung; grosse für die Motoreningangsetzung). Die Fahrkarten wurden durch die Kondukteure im Wagen verkauft und kosteten von der Schiffstation zum Bahnhof 20 Rappen. In der Regel verkehrten zwischen täglich 34 und 41 Kurspaare, die an die Fahrzeiten der Schiffe und der Eisenbahn abgestimmt waren. Bei Bedarf wurden Extrafahrten organisiert.

Die Verglasungen der Führerstände erfolgte erst Mitte der Fünfziger Jahre wobei der Ce 2/2 Nummer 2 ein bewegliches Vordach an den Plattformen erhielt. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch der blau-weisse Anstrich. Mit Saisonabschluss 1907 , wurde zur Verstärkung des Rollmaterials der Ce 4/4 Nummer 3, ebenfalls von Alioth-Rastatt (120 PS, 18 t, elfenbeinfarbig, 24 Sitzplätze, 25 Stehplätze) geliefert. Der Kontroller und die Bremsausrüstung befanden sich an beiden Plattformen.

Ce 4/4 und C11 vor der Bergfahrt bei der Schiffstation. Es sind beide Lyrabügel gezogen, also Bergfahrt,
ca. 1949. Foto: Sammlung Archiv SVEA
Zu Beginn der Saison 1908 kam auch der einzige „Sommer“-Personenanhängewagen C Nummer 11 (Alioth-Rastatt erbaut, 24 Sitzplätze) vor allem mit dem leistungsstarken Triebfahrzeug Ce 4/4 Nummer 3 in Betrieb. Zusammen mit dem vierachsigen Motorwagen konnten 100 Personen befördert werden. Für den Einsatz war ein zweiter Kondukteur erforderlich d.h. für den ganzen Tramzug brauchte es 3 Mann. Weil beim Sommerwagen keine Seitenwände vorhanden waren wurden zum Schutz der Passagiere vor Sonne und Wetterkapriolen Vorhänge angebracht. Im Jahre 1906 kam auch der sogenannte Gepäckwagen als F Nummer 21, zur Beförderung von Koffern und anderen Waren zur SVB, doch dieser wurde erst ab der Sommersaison 1908 in Verkehr genommen. 1911 bis 1914 wurde damit sogar Post befördert. Der Erste Weltkrieg 1914-1918 machte auch nicht vor der SVB Halt. Touristen blieben aus und obwohl die Saison 1914 eigentlich noch gut begonnen hatte, wirkte sich die politische Entwicklung sehr nachteilig auf den Bahnbetrieb aus.

Alle drei Motorwagen vor dem Depot, ca. 1950.
Foto: Sammlung Archiv SVEA

Ce 2/2 Nummer 1 vor dem Hotel Terminus, ca. 1949. Foto: Sammlung Archiv SVEA
Es gab deshalb auch Einschränkungen im Fahrplan (Kriegsfahrplan), sodass der Bahnbetrieb am 14. August 1914 eingestellt und erst wieder zur Sommersaison 1915 eröffnet werden konnte (allerdings nur bis zum 19. September 1915 ). Starker Kohlemangel zeigte sich auch bei der Dampfschifffahrtsgesellschaft Thunersee ab, weshalb der Betrieb bis Kriegsende 1918 derart reduziert blieb, dass ab der Schiffsstation Spiez praktisch keine Leute die Bahn benützten. Die Betriebsrechnung sah deshalb auch entsprechend negativ aus. Es vergingen einige Jahre nach dem Kriegsende, bis sich der Tourismus erholt hatte. Der defizitäre Betrieb wurde zum Teil vom Verkehrsverein Spiez getragen und die roten Zahlen wiederholten sich im Laufe der Jahre.

Ce 4/4 Nummer 3 beim Bahnhof vor der Talfahrt,
ca. 1950. Foto: Sammlung Archiv SVEA

Bereits 1932 sprach man davon, die unrentable Spiezer Verbindungsbahn abzubrechen und durch einen Autobusbetrieb zu ersetzen. Aber die Anschaffung eigener Autobusse durch die SVB war schon wegen der Finanzierung beinahe unmöglich und schliesslich war das bestehende Rollmaterial noch in einem guten Zustand. Das Thema war aber nicht vergessen und man machte 1949 eine Rückstellung von 3.000.-- Franken für eine eventuelle Betriebsumstellung.

1951 wurden die Fahrzeuge in die charakteristische blau-weisse Farbgebung, dem sogenannten BLS-blau, umlakiert. 1959 wurde das Gleis und der Strassenbelag am oberen Streckenteil erneuert. Revisionen an den Fahrzeugen wurden durch die BLS-Werkstätte vom Depot Spiez ausgeführt. Die BLS hatte auch die Oberaufsicht der Bahn inne. Als mit den Jahren das stark abgenutzte Rollmaterial saniert und repariert werden sollte, gab es für die Autobusbefürworter neuen Aufwind. Zirka 80.000.-- Franken für das Rollmaterial und ca. 100.000.--für die Gleisanlagen war doch etwas zu viel. Die SVB war nicht in der Lage, diese Mittel zu beschaffen. Das stetige Anwachsen des Auto-Ausflugverkehrs machte die SVB zur „Spiezer-Verhinderungs-Bahn“ 1960 beschloss man schliesslich, den versuchsweisen Autobusbetrieb einzusetzen. So kam am 25. September 1960 das definitive Ende des Bahnbetriebes auf der SVB. Der Sommerwagen war als erstes Fahrzeug dem Abbruch zum Opfer gefallen (Im Depot benötigte man den Platz für den Autobus). Fahrzeuge, Fahrleitung und Unformerstation wurden 1963 abgebrochen und bei der Strassenerneuerung die Rillenschienen entfernt. Das Depot diente noch bis zum Jahre 1987 dem Autobusbetrieb, bevor es gänzlich abgerissen wurde. Noch vielen älteren Bewohnern aber bleibt die Spiezer Verbindungsbahn in guter Erinnerung.
Quellen

Florian Inäbnit/Spiezer Verbindungsbahn/Prellbock-Verlag Leissigen
Verkehrshaus der Schweiz
Fotos aus dem Archiv SVEA

Text und Bilder: Hans Rudi Lüthy-Pavan
Gestaltung: Franz Straka
Juni 2009